Kletterblatt 2010 - page 84

kletterblatt 2010
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Klettern im Regenwald
Report
I
m Sommer letzten Jahres kon-
taktierte mich mein Freund An-
dreas Hertz, Experte für Frösche
und Salamander undDoktorand in
der senckenbergischen Sektion
Herpetologie in Frankfurt/Main,
mit einembesonderenAnliegen: Ob
ich nicht Lust hätte, mal in den
Tropen auf Bäume zu klettern und
dabei aktiv der Forschung zu hel-
fen. Für seine Doktorarbeit über
Amphibien war er, zusammen mit
seinemKollegenSebastianLozkat,
ebenfalls Doktorand mit dem
SchwerpunktReptilien, schonzwei
Mal zu Forschungszwecken in Pa-
nama gewesen. Immer mal wieder
hatte er jedoch ein Problem: zwar
konnte er Frösche durch deren
Quaken orten, diese aber nicht er-
reichen, da sie sich häufig in einer
Bromelie im Kronenbereich eines
großen Baumes befanden. Und so
dachte er an mich. Als Baumklet-
terer, Naturfreund und Hobbyter-
rarianer war ich natürlich be-
geistert und sagte zu.
Nach intensiven Vorbereitungen,
der Zusammenstellung der Cam-
ping- und Klettersachen sowie un-
zähligen Impfungen gegenTyphus,
Tollwut, Gelbfieber und derglei-
chen, ging es dann Mitte Septem-
ber los. Zusammen mit den beiden
Doktoranden, zwei weiterenDiplo-
manden und einem Praktikanten
flogen wir nach Panama City. Dort
waren wir zuerst einmal eine
Woche damit beschäftigt, die benö-
tigten Sammelgenehmigungen
einzuholen. Als dies geschafft war,
ging es nachWesten, in die Provinz
Chiriquí. Im kleinen Ort Los Al-
gorrobos richteten wir unsere Ba-
sisstation ein, um uns zwischen
den einzelnen Expeditionen mit
Nahrung und frischerWäsche ver-
sorgen zu können. In Los Algorro-
bos hatte ich auchmein erstesKlet-
tererlebnis: Vor unseremHaus be-
fand sich in der Krone eines großen
Baumes das verlassene Nest eines
Maqua. Einwohner hatten uns er-
zählt, dass die Federn, mit denen
Den Fröschen
auf den Pelz gerückt
Klettern in denNebelwäldern Panamas
Die Herpetologie, aus griech. herpetón = kriechendes
Tier und –logie, ist ein Teilgebiet der Zoologie, das sich
mit der Erforschung der Lurche und Kriechtiere befasst.
Keine Sache für den professionellen Baumkletterer?
Weit gefehlt! Viele Amphibien und Reptilien leben in
Baumkronen. So auch im panamaischen Nebelwald.
Doch es gibt noch viele „weiße Flecken“ in den herpeto-
logischen Verbreitungskarten. Wer diese Tiere in ihrem
Lebensraum erforschen möchte, muss rauf auf die
Bäume. Also doch eine Sache für professionelle Baum-
kletterer! Andreas Uselis war dabei: in den Wipfeln
des tropischen Regenwaldes, mitten unter Fröschen,
Giftschlangen und Kolibris.
dieser Vogel sein Nest polstert,
Glück bringen würden. Also kra-
xelte ich hoch und zupfte ein paar
Federn ab. So schnell konnte ich
gar nicht klettern, wie sich meine
Kletterei herumgesprochen hatte.
Noch bevor ich wieder unten war,
hatte sich unter dem Baum eine
große Anzahl von neugierigen und
staunenden Menschen versam-
melt. Ich teilte die Federn unter
ihnen auf und einige flitzten gleich
los, um sich Lose zu kaufen. Als
Dank für die Feder schenkte mir
einer sogar einenHund. Denmuss-
tenwir dann leiderwieder abgeben,
nachdem er Geschmack an den
Hühnern der Nachbarn fand.
Ziel der einzelnen Expeditionen
waren die kaum erforschten Berg-
waldgebiete der Zentralkordilleren
imWesten Panamas. Mit Hilfe öf-
fentlicher Verkehrsmittel, Busse
und Pickup-Taxis ging es von Los
Algorrobos aus mit allen Cam-
pingsachen, Verpflegung, Labor-
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