Kletterblatt 2015 - page 9

schenzügen passiert. Dafür beziehen
wir uns auf grundlegende physika-
lische Gesetze und definieren einige
Begrifflichkeiten neu, um besser zu
beschreiben, was uns begegnet:
1. Definition „Flaschenzug“:
Ein Flaschenzug ist eine einfache
Maschine, die den Betrag der aufzu-
bringenden Kraft, z. B. zumBewegen
oder Heben von Lasten verringert.
DiesebestehenausUmlenkungenund
einem Zugmedium (Seil, Schlingen,
Schnüre etc.). Die zu erbringende Ar-
beit (Kraft xWeg) bleibt gleich.
2. Begrifflichkeit „Rollen“:
Rollen sindUmlenkungen, aber nicht
alle Umlenkungen müssen Rollen
(z. B. Karabiner, Abseilgeräte, Rohre
etc.) sein.
3. Das Hebel-Axiom:
In allen 180˚ Umlenkungen wirken
ein einarmiger, ein zweiarmiger He-
bel sowie Reibung, Normal- und
Querkräfte. Damit sind auch alleUm-
lenkungen imPositivenwie imNega-
tiven mechanisch wirksam.
4. Definition „Zugpunkt“:
Ein Zugpunkt ist die Stelle, an der die
Verkürzung des Zugmediums imFla-
schenzug stattfindet.
5. Definition „AktiveUmlenkung“:
Eine „Aktive Umlenkung“ ist gege-
ben, wenn die Distanz vomZugpunkt
zur Umlenkung sich beimZiehen ver-
ändert. (Unabhängig davon, ob sich
von außen betrachtet der Zugpunkt
bewegt oder die Umlenkung!)
6. Definition„PassiveUmlenkung“:
Eine „Passive Umlenkung“ ist gege-
ben, wenn die Distanz vomZugpunkt
zur Rolle beim Ziehen immer gleich-
bleibt.
Daraus lassen sich folgende Grund-
sätze ableiten:
1. Auch Umlenkungen, deren Positi-
onen imRaumsichnicht verändern,
können als aktive Umlenkungen in
Erscheinung treten. Nicht nur die
klassische „lose Rolle“!
2. Nur aktiveUmlenkungen haben ei-
nen Einfluss auf die Übersetzung
eines theoretisch reibungsfreien
Systems.
3. Passive Umlenkungen haben kei-
nen Einfluss auf die Übersetzung
eines theoretisch reibungsfreien
Systems.
4. Relative Flaschenzüge sind solche,
indenenmindestens eineRolle ihre
Position im Raum nicht ändert,
aber einen Einfluss auf die Über-
setzung hat.
5. Definition „Bezugsebene“: An-
schlagebenen, Gewicht an Zugme-
dium und „Zugpunkt“
Na, schon erleuchtet? Nein? Das Pro-
blem kennen wir, und daher noch ein
paar mehr Worte dazu: Das wesent-
liche Problem liegt in der bisherigen
Herangehensweise, Flaschenzüge
nurmit den so genannten „Losen“ und
„Festen Rollen“ erklären zu wollen.
Diese sind aber spezielle Fälle und
sind dadurch, auch wenn sie häufig
vorkommen, nur begrenzt geeignet,
alle Flaschenzüge richtig zu erklären.
Anhand von vier Beispielen werden
wir die zuvor erwähntenDefinitionen
und Grundsätze anwenden und die
Problematik der Erklärungsmuster
von „Loser“ und „Fester Rolle“ be-
trachten:
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Flaschenzug
Technik
Die Theorie der Flaschenzüge – vom
Schulbuch bis Wikipedia – kann nur
reine Potenz- und reine Faktorenfla-
schenzüge und den Sonderfall des
Differentialflaschenzuges beschrei-
benund lässt demzufolge alle anderen
Konfigurationen weg. Das hilft uns
aber nicht weiter. Deswegen wird der
Bogen hier weiter gespannt. So weit,
dass mindestens unsere Baustellen-
welt nicht nur abgebildet, sondern be-
züglich Flaschenzüge auch vollstän-
dig erklärt wird. Und wenn sich dann
eines Tages die Schulphysik und
Wikipedia mit der Baum- und Indus-
triekletterei austauschen, dann ha-
ben die beiden Schlüsselsuchenden
ein gutes Stück mehr Licht.
Wir können an dieser Stelle keine sei-
tenlange Erklärung für die Grundla-
gen abgeben. Darum verweisen wir
auf frühere Artikel von uns:
Lingens,
Entspannt auf Spannung, Kletterblatt
2006, S. 6-9; Oppolzer /Wahls, Swiss-
Rig, Kletterblatt 2013, S.42-45.
Ebenso sollen die drei Infokästen
(Grafik 3 bis 5)unsere Aussagen ver-
deutlichen. Die früheren Artikel kön-
nen schnell und einfach im Kletter-
blatt-Archiv gefundenwerden: www.
kletterblatt.de.
Wie bringen wir nun Licht in den
Schatten der Hecke?
Unzufriedenmit den klassischenHe-
rangehensweisen und angetrieben
von verstörenden Beobachtungen
(Grafik 1 Beispiel 2) haben wir das
Thema noch einmal von Grund auf
neu durchgespielt. Die ersten Ver-
suche der Neudefinition waren auch
für unsmit viel Diskussion verbunden
und nach intensiver Arbeit können
wir endlich ein für uns rundes Ergeb-
nis vorstellen.
Wir beginnendamit, alteErklärungs-
muster, wie jene der „Losen“ und
„FestenRolle“, so zu formulieren, dass
Ihr in der Lage seid, besser zu verste-
hen und zu beschreiben, was in Fla-
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