Kletterblatt 2015 - page 102

gesamt ausgeglichenenWachstum; in
Folge des Schnitts weisen die Jahres-
triebe im gesamten Baum eine ähn-
liche undmittlereLänge auf. Die jähr-
licheBildung vieler Blätter an Jahres-
triebenmittlerer Länge trägt wesent-
lich zu einer guten Vitalität und
Fruchtqualität bei.
Weil der Baum imAußenbereich sta-
tisch entlastetwirdunddurchdenan-
gepassten Schnitt relativ ruhig bleibt
(kein übermäßiges Triebwachstum),
besteht bei älteren Bäumen oft über
viele Jahre hinweg keine Notwendig-
keit für weitere Schnitteingriffe.
Durch das ausgeglichene und gemä-
ßigteWachstumauchnach stärkerem
Schnitteingriff wirdweitgehend ver-
mieden, dass Bäume einen späten
Triebabschluss haben. Triebe mit
spätemAbschluss sind besonders an-
fällig für verschiedene Krankheiten,
z. B. Feuerbrand, Mehltau, Krebs,
Spätschorf und für bestimmte tie-
rische Schädlinge, speziell beißend-
saugende Insekten.
Fast immer ist es vorteilhaft, die er-
forderlichen oder angestrebtenÄnde-
rungen im Stoffwechsel des Baumes
maßvoll und über einen gewissen
Zeitraum verteilt ablaufen zu lassen.
Dies dient nicht nur der Baumgesund-
heit, sondern trägt auch dazu bei, den
Arbeitsaufwand zur Korrektur uner-
wünschter Reaktionen im Baum ge-
ring zu halten, da extreme Stoffwech-
selreaktionen sehr häufig mit uner-
wünschten äußeren Reaktionen am
Baum verbunden sind.
Das Zusammenwirken
mit weiteren kulturtechnischen
Maßnahmen
Die Technik des Schlankschnitts
wird in der Regel in Verbindung mit
weiteren Techniken, welche die phy-
siologischen Vorgänge desWachsens
und Fruchtens berücksichtigen, an-
gewandt.
Eine gute Vitalität wird vor allem
durch eine günstige Beeinflussung
des Energiestoffwechsels erreicht,
wozu der Schlankschnitt wesentlich
beiträgt. Es gibt danebenweitereKul-
turmaßnahmen, die eine gute Vitali-
tät fördern. Dagegen solltenEingriffe,
die den Baum deutlich schwächen
können, weitgehend vermieden wer-
den. Dies sind beispielsweise Kap-
pungen, das Entfernen von Starkäs-
ten, Ableiten auf flach stehenden Sei-
tenast als Regelmaßnahme, umfang-
reiches Entfernen von Fein- und
Schwachästen (Kahlschneiden,
„Ausputzen“) im Inneren der Krone.
Leider sind es oft genau diese Maß-
nahmen, die inder Literatur zurObst-
baumpflege im Zusammenhang mit
einem„Verjüngungsschnitt“ empfoh-
len werden. Sie sind aber tatsächlich
unnötig und in vielen Fällen der
Baumgesundheit abträglich.
Der Schlankschnitt ermöglicht eine
relativ starke Auslichtung, ohne die
Fruchtbarkeit und den Ertrag zu ver-
mindern. Um auf Dauer einen hohen
und gleichmäßigenErtrag zu erzielen,
sind jedoch weitere Kulturmaßnah-
men erforderlich. DieRegulierung der
Fruchtbarkeit ist ein wesentlicher
wirksamer Faktor, wenn bei einem
stark ungleichmäßigen Kronenauf-
bau das Verhältnis zwischen überge-
ordneten Astsystemen ohne uner-
wünschte Nebenwirkungen verän-
dert werden soll.
Zusammenfassung
Ziele, die mit der Technik „Schlank
Schneiden“ erreicht werden.
Mit der Technik des Schlankschnitts
werden baumeigene Steuerungsme-
chanismen eingesetzt, umbestimmte
Pflegeziele zu erreichen, ohne ex-
treme (Stoffwechsel-)Reaktionen
auszulösen. Wachsen und Fruchten
findet gleichmäßig über die ganze
Baumkrone verteilt statt. DieOrte ho-
her Auxin-Produktionwerden gezielt
ausgewählt und deren Zahl wird in
der Regel verringert, was regulierend
auf das Wachstum einwirkt. Gleich-
zeitig sorgt diese Technik dafür, dass
selbst nach einer stärkeren Auslich-
tung eine übermäßige Reaktion des
Baumes und die Bildung von starken
„Wassertrieben“ oder Total-Reite-
raten unterbleiben. Beides trägt we-
sentlich dazu bei, dass sich der Ar-
beitsaufwand für den Schnitt mittel-
und langfristig deutlich vermindert.
Durch die ausgleichendeWirkung auf
die Auxin-Produktion können die Cy-
tokinine an vielen Orten im Baum
stärkerwirken. Die damit verbundene
verbesserte Blatt- und Triebbildung
in den inneren/unteren Bereichen
eines Astes/Baumes und die gün-
stigen Einf lüsse auf das Wurzel-
wachstumbewirken u. a. eine verbes-
serte Vitalität des Baumes.
Abb. 6
I
Nachher: Ein Jahr nach dem starken
Eingriff sieht man, dass die Jahrestriebe in der
unteren Krone ähnlich lang sind wie die Neu-
triebe in der Spitze (8). Nur dort, wo kein norma-
ler Seitenast, sondern eher ein mit der Stamm-
verlängerung konkurrierender Stämmling ent-
fernt wurde, hat der Baum stärker reagiert (9).
Abb. 5
I
Vorher: Bei diesem ca. 12 m hohen
Birnbaum ist absehbar, dass sich die Überbau-
ung noch verstärkt und sich die Nutzbarkeit
des Baums so weiter verschlechtert. Der
Schwerpunkt verlagert sich weiter nach oben.
Das kann sich langfristig ungünstig auf die
Standfestigkeit des Gesamtbaums auswirken.
Baumpflege
Praxis
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