Kletterblatt 2006 - page 14

Aber Fortschritt ist nicht per se positiv.
Selbstverständlich. Fortschritt ist nur dann gut,
wenn er dem Menschen Vorteile bringt und dabei
andere und die Natur nicht schädigt. Ich bin mir
sicher, dass mit dem, was ich entwickle und an-
biete, Vorteile für die Anwender verbunden sind.
Wenn es in diesem Sinne erfolgreich ist und am
Ende auch mir selbst nützt, ist dies wohl legitim.
Spötter sagen, Du würdest keine Seereise ma-
chen, weil dort die Geschwindigkeit in Knoten
gemessen wird.
Oh je, ich bin doch kein Ideologe. Klemmknoten
faszinieren mich. Auch wenn das kaum jemand
weiß, ich habe die Klemmknoten studiert und aus-
probiert. Es kommt für mich aber auf die Summe
der Funktionen und die Leistungsfähigkeit an und
da glaube ich fest an die Überlegenheit techni-
scher Lösungen.
Du kletterst noch, aber nicht mehr in der akti-
ven Baumpflege. Entfernst Du Dich da nicht von
der Basis? Immerhin geht die Entwicklung auch
außerhalb deiner Werkstatt weiter.
Ich habe 12 Jahre Baumpflege mit Seilkletter-
technik gemacht, war in diesen Jahren auf vielen
Meisterschaften, auf vielen Treffen und bin mit
den Besten in der Szene geklettert. An Erfahrung
mangelt es mir nicht. Das ganze Spektrum arbei-
tet bei mir im Kopf weiter. Neue Ideen und solche,
an denen ich schon länger arbeite, beinhalten
dabei immer die Suche nach besseren Materialien
oder Verfahren. Alles Dinge, die ich jetzt nicht
ausplaudern möchte.
Du arbeitest alleine. Gehen Entwicklungen da
nicht unnötig lange? Könnte im Team, oder mit
Berufskollegen z. B., nicht vieles schneller erle-
digt werden?
Nein, das glaube ich in meinem Fall nicht. Viele
Köche verderben bekanntlich den Brei. Neue Ideen
und Erfindungen sind ja da. Da kann man nichts
beschleunigen. Alles andere braucht eben seine
Zeit. Ich muss in meiner eigenen Welt sein, um
neue Ideen zu finden oder vorhandene reifen zu
lassen. Anregungen hole ich mir durch Auspro-
bieren und durch Beobachtung, das habe ich ja
bereits als Kind gelernt. Daneben gibt es aber na-
türlich eine ganze Reihe von Aufgaben, die dann
auch für mich Teamarbeit erfordern. Erfindung
ist 1% Inspiration und 99% Transpiration, hat
mal jemand erkannt. Wenn man die Idee erst ein-
mal hat, kann man das eine Zeit lang genießen,
aber danach folgt sehr viel Arbeit. Das vergessen
viele. Alles in einem Gerät muss entwickelt und
durchdacht werden. Mittlerweile gibt es über 100
Einzelteile und Verfahren bei ART. Das sind dann
keine Erfindungen, das ist Konstruktionsarbeit.
Daran arbeite ich sehr intensiv und teilweise im
Team. Da sind Leute, die ihrerseits hervorragende
Kenntnisse und Fähigkeiten haben und die zu-
gleich auf mich eingehen können und wollen.
Gibt es einen Konflikt zwischen Traditionalisten
und Modernisten oder ist dies nur eine Schimäre?
Den klaren Schnitt zwischen Tradition und Moder-
ne gibt es so für mich nicht. Der Übergang ist flie-
ßend. Es wird immer Elemente geben, die veraltet
sind und als solche früher oder später auch er-
kannt werden. Und es gibt immer wieder auch neue
Ansätze. Andere Dinge bleiben gleich, wie z. B. die
Schwierigkeit, einen sicheren Ankerpunkt zu ermit-
teln. Hier wird es immer auf die Entscheidung des
Einzelnen ankommen. Grundsätzlich glaube ich,
dass Natur, Mensch und Technik untrennbar zu-
sammengehören. Die Moderne ist geprägt von
Wissen und Technik, nur mit der Gewissheit, dass
nichts so beständig ist wie der Wandel.
Und was für ein Mensch ist der Erfinder privat?
„Carpe diem“ ist ein weiterer Leitsatz in meinem
Leben. Nutze den Tag. Wenn ich aber nichts
(Produktives) tue, dann nutze ich den Tag für die
vielen angenehmen Dinge, die jeder für sich kennt.
Ich habe da eine ganz eigene Mischung. Regelmä-
ßiger Sport und Musik sind mir sehr wichtig.
Wenn Du aktuell bei einer Meisterschaft mitklet-
tern würdest, wo würdest Du dich leistungsmä-
ßig ansiedeln?
Das ist schwer zu sagen, ich möchte nicht ver-
messen sein, aber ich glaube, dass ich auch mit
meinen 44 noch eine ganz passable Vorstellung
abgeben kann.
D
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