Kletterblatt 2015 - page 85

Ausland
Report
Waldlichtungen mit sehr ho-
hem Gras und Helikonien vor,
die dritte mit dem wissen-
schaftlichenNamenCupienni-
us coccineus (Abb. 4) jedoch
war nur aufWaldvegetation zu
finden. Ich nutzte die beiden
Hängebrücken, die zwischen
Baumkronen verlaufen (Abb.
1), umersteDaten über dieVertikalverteilung dieser Spin-
nen zu gewinnen. Unglücklicherweise hat man von sol-
chenBrückenaus sehr eingeschränkteBeobachtungsmög-
lichkeiten. Wenigstens konnte ich so herausfinden, dass
diese Spinnenart in Höhen von bis zu 11 Meter vordringt.
Ich vermutete, sogar nochhöher. Dochwie überprüfen, wie
beweisen?Und, wenn inBodennähemehrere verschiedene
Arten vorkommen, wie sieht das in den Baumkronen aus?
Welche Parameter beeinflussen die Vertikalverteilung
dieser Tiere? Diese und viele andere Fragen spukten mir
im Kopf herum und ich entwarf das Thema meiner Dis-
sertation. Dazuwollte ich diesmal auf die Regenwaldbäu-
me klettern. So absolvierte ich im November 2009 den
SKT-A-Kurs der Münchner Baumkletterschule und im
März 2010 sollte es für zwei Jahre nach Tirimbina gehen.
Klettermaterial für den Regenwald
Perry und viele andere Biologen verwendeten für denAuf-
stieg auf die hohen Regenwaldbäume nicht das mühsame
umlaufende Seilsystem. Also kaufte ich neben Klemm-
knotenseilen, SpiderJack und Kletterseil für das umlau-
fende System auch semistatische Aufstiegsseile (60 und
80Meter) sowieHandsteigklemmen und für das Abseilen
den Petzl I’D und einen Abseilachter. Statt der Big Shot
benutzte ich einenCompoundbogen (Abb. 6) mit 55 Pfund
Zuggewicht. Da der Bogen aus meinem Rucksack ragte,
wurde ich amFlughafen angewiesen, dasGepäckstück als
Sperrgepäck aufzugeben. An der Annahmestelle fragte
mich der verantwortlicheAngestellte, was das sei. Ich ant-
wortete, es sei ein Bogen. Darauf der Angestellte: „Also,
sowas wie eine Armbrust?“ „Nein, sowas wie ein Bogen –
wie bei den Indianern, nur etwas stärker.“ Da heutzutage
jeder ein potenzieller Terrorist
ist, witterte er wohl Gefahr und
forderte Unterstützung von sei-
ner Vorgesetzten an, die das Ter-
rorproblem schnell auflöste: Der
Bogen gilt als Sportgerät.
In Tirimbina angelangt, nutzte
ich die Anfangszeit, um auf klei-
nen Bäumen meine Klettertechnik einzuüben und mich
mit den Gegebenheiten auf den Regenwaldbäumen ver-
traut zu machen. Früh durfte ich herausfinden, dass der
Stich der über zwei Zentimeter langen 24-Stunden-Amei-
se doch nicht so weh tut, wie der englische Name „bullet
ant“ suggeriert. Angeblich soll der Stich bis zu einemTag
lang schmerzen (daher der deutsche Name), oft soll die
Stelle auch stark anschwellen. Trotzdem, angenehm ist er
nun auch wieder nicht. Ich wusste zu diesem Zeitpunkt
noch nicht, wie oft ich in den folgenden 24Monaten dieses
zweifelhafte Vergnügen haben würde. Die Ameisen sind
meist nachtaktiv und klettern bis in die Baumkronen auf
der Suche nach Beute, bevorzugt anKletterpflanzen oder
Lianen – einKletterseil hat gewisse strukturelleÄhnlich-
keiten mit solchen Pflanzen.
Lebensvielfalt in den Baumkronen
Der Planwar, ca. 20Bäumewiederholtmonatlich über den
gesamtenZeitraumnach JagdspinnenundSkorpionen ab-
zusuchen. Außerdemwollte ich die Temperatur und Luft-
feuchte inBodennähe und indenKronenmittels dauerhaft
angebrachter Dataloggern (Abb. 3) messen. Bevor es mit
der Forschung richtig losgehenkonnte, musste ichdieBäu-
me „vorbereiten“, d. h. einen für die Suche optimalen An-
kerpunkt finden und dort eine dauerhafte Zugschnur an-
bringen, mit der ichdasKletterseil ohneweiteres Schießen
leicht einbauen konnte. Einerseits sollte der Ankerpunkt
möglichst hoch sein, andererseits sollte das Aufstiegsseil
nicht zu weit vom Stamm verlaufen. Ich besorgte mir im
lokalen Baumarkt Stahlbolzen, die ich auf Pfeillänge zu-
schneiden ließ. Siewogen dann etwa 200 g und ich sprühte
sie noch orange an, umsie auf demWaldboden besser
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