Kletterblatt 2017 - page 26

Hubert, nachgefragt nach deinen Leitsätzen zitiertest
Du einmal den Appell von Kant „Habe den Mut, dich deines
eigenen Verstandes zu bedienen“. Dann musst Du ja gerade-
zu begeistert sein, wie kreativ die Baumkletterer sind, wenn
es darum geht, die Ausrüstung ihren Bedürfnissen anzupas-
sen. Stimmst Du mir zu, wenn ich sage, der evolutionäre Weg
zum Spider war: Positioner – Hubi – SpiderJack? Oder wie
würdest Du den Entwicklungsprozess beschreiben?
Ja, tatsächlich lag es nahe, den Positioner für das lau-
fende Doppelseil zu nutzen. 2002, als der Positioner ge-
rade auf denMarkt kam, hatte ich die Idee der Daumen-
bremse zur Dosierung und Bremsen beim Abseilen. Die
Patentanmeldung zumSpiderJack habe ich noch imsel-
ben Jahr gemacht. DieMarkteinführung des SpiderJack
war dagegen erst imJahr 2006. Der „Hubi“ war tatsäch-
lich nur ein „gepimpter“ Positioner.
2006 hast du im Kletterblatt über dich gesagt, dass Du
vor dem LockJack eher ein Tüftler warst. Mit der Entwicklung
des LockJacks wurdest Du zum systematisch suchenden und
arbeitenden Konstrukteur. Wie können wir uns die Weiter-
entwicklung des LockJacks oder des SpiderJacks vorstellen?
Denn wir dürfen ja davon ausgehen, dass Du erst dann Dein
Produkt in Serie gibst, wenn der Konstrukteur überzeugt ist,
das perfekte, ultimative Gerät entwickelt zu haben. Trotzdem
geht es weiter. Wird da wieder getüftelt, gibt es plötzlich
Ideen, oder wird gesucht oder wird zugehört?
Zugehört und durch Zusehen gelernt habe ich schon im-
mer. Es liegt inmeiner Natur, dass nichts anmir vorbei-
geht und ich habe schon immer sehr viel nachgedacht.
Ich kann gar nicht anders. Aber erst beim LockJack 2,
damals war ich bereits 40, habe ich realisiert, dass ich so
etwas wie Ehrgeiz habe. Das perfekte, ultimative Gerät
gibt es allerdings nicht. Jede neue Entwicklung oder Er-
findung setzt neueMaßstäbe, zeigt aber eben auch neue
Limits. Es ist inWahrheit das permanente Streben nach
Vollendung. Erreichen könnenwir sie nicht, aber perma-
nent danach streben und ihr nahe kommen können wir
sehr wohl!
Vor dem ersten LockJack war ich wie viele andereMen-
schen einfach nur geschickt genug, mir für alle mög-
lichen Dinge des Lebens auf unkonventionelle Weise
Verbesserungen zu basteln. Meine alten Autos habe ich
auch lange Jahre komplett selbst repariert. Meine zum
großenTeil autodidaktisch erworbenenKenntnisse und
Fertigkeiten reichten immerhin aus, während meiner
eher wenig ambitionierten Studienzeit nebenbei in einer
freien Autowerkstatt Geld zu verdienen. Von Schweiß-
arbeiten bis zurMotoreninstandsetzungwar alles dabei.
Auchmeine erste Baumkletterausrüstungwar inTeilen
selbst gebastelt, und ich hatte keinerlei Ausbildung oder
Einweisung zumBaumklettern. Was ich hatte, war zum
einen eine absolute Begeisterung für das Arbeiten und
Klettern im Baum, und zum anderen war ich immer
schon ein „Selbermacher“. Ich fühlte mich als ein Pio-
nier!
Als ich dann 1995 bei der zweiten deutschen Baumklet-
termeisterschaft erstmals einen Stand mit Baumklet-
tertechnik sah, war ich total beeindruckt vom laufenden
Doppelseil und dem amerikanischen Sliding D Kletter-
gurt. Dass es neben demfürmich viel zu schwergängigen
Prusik nur den für damalige Zeiten wegen der Durch-
schmelz-Gefahr gewagten Valtodain tres gab, brachte
mich zu der Überzeugung, dann eben selbst ein mecha-
Hubert Kowalewski hat 1998 als „Pionier und Selbermacher“ mit dem LockJack
die Klettertechnik grundlegend verändert. 2001 gründete er seine Firma ART
und hat unter diesem Namen viele innovative Produkte entwickelt und auf den
Markt gebracht. Der SpiderJack 3 und der RopeGuide TwinLine sind seine neu-
esten Produkte. Mit dem Kletterblatt sprach er über Ideen, Entwicklungspro-
zesse und über seinen privaten Weg vom „Selbermacher“ zum Konstrukteur.
Spiderjack 3
RopeGuide TwinLine
Mit Hubert Kowalewski
im Gespräch
Hubert Kowalewski 2002
mit dem Ur-SpiderJack.
Der Korpus ist ein modifizierter
Positioner. Schön zu sehen
sind die erste Daumenbremse
und ein verlängerter
Lösehebel aus Pockholz.
Nach
gefragt
kletterblatt 2017
26
Interview
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