Kletterblatt 2007 - page 10

kletterblatt
07
10
Interview
Ist eventuell die Ausbildung ungenügend?
Es gibt inzwischen verschiedene Ausbildungs-
gänge. Z. B. über die Arboristik. Aber insge-
samt fehlt ein ausreichend qualifizierter Aus-
bildungsstandard für den Beruf des Baum-
pflegers. Das sollte aber eingerichtet werden.
Zum Schutz der Kunden und zum Schutz der
Baumpfleger, die sich bemühen, einen or-
dentlichen Job zu machen. Und natürlich
zum Schutz der Bäume und daraus resultie-
rend zum Schutz der Menschen. Die ökolo-
gische Bedeutung der Bäume brauche ich
hier wohl nicht extra betonen.
Die Konsequenz wäre, dass Tätigkeit und Aus-
bildung der Baumpflege in ein Korsett aus Nor-
men und Vorschriften gepresst werden würde.
Das ist vielleicht zu hart ausgedrückt, aber
die Richtung stimmt und wäre für die Sache
gut. In der Regel dauern alle Ausbildungsbe-
rufe im grünen Bereich mindestens zwei Jahre.
Nur die Baumpflege kann jeder mal so neben-
bei lernen, obwohl hier das Tätigkeitsspekt-
rum sehr groß sein kann. Ich fordere jetzt
nicht die zwei- oder dreijährige Ausbildung.
Aber ich möchte doch noch einen Punkt be-
tonen: in einer Ausbildung lernt man auch
nicht jeden Tag etwas Neues, sie dient eben-
falls dazu, Routine für den Arbeitsalltag zu er-
langen. Und das ist auch wichtig. Sonst ist es
wie überall, nicht jeder Abschluss garantiert
auch einen guten Baumpfleger. Qualifizierte
Mitbewerber sind weniger Konkurrenz als
vielmehr Mitstreiter für eine gute Baumpflege.
Das Problem sind diejenigen, die sich als
Spezialisten und Profis ausgeben, aber kein
Verständnis für die Materie haben. Die
Ängstlichen oder Unwissenden, besser die
Schlechtwissenden.
Wem fühlst Du dich mehr verpflichtet, dem
Kunden oder dem Baum?
Beiden Seiten, wobei natürlich grundsätzlich
der Schutz der Menschen, gerade in den Städ-
ten, gewährleistet sein muss. Aber radikale
Maßnahmen gewähren nicht immer Sicherheit,
und Sicherheit verlangt nicht immer radikale
Maßnahmen. Wenn man eine gekappte Allee
sieht, dann wurde hier mit Kanonen auf Spatzen,
wenn nicht sogar auf Mücken geschossen. Das
ist ein übertriebener und fachlich nicht begrün-
deter Aktionismus.
Das Schneetreiben wird stärker. Ich rekapituliere,
was Ronny heute so nebenbei berichtet hat: von
einer Klettertour in einem Eukalyptus, 87 Meter
über dem Boden, oder von einer Übernachtung in
65 Meter Höhe, zwischen zwei Red Woods, die 25
Meter auseinanderstehen, also gemütlich finde ich
das nicht. Der Gedanke daran lässt das vorhin noch
so bedrohliche Schneetreiben zum leichten Regen
werden. Und irgendwie finde ich einen Apfelbaum
auch ganz nett.
Aktuell – März 2007 – kommen der Weltmeis-
ter im Baumklettern, Bernd Strasser und der
Europameister, Ronny Epple, der auch Vizewelt-
meister ist, aus der gleichen Gemeinde auf der
Schwäbischen Alb. Ihr seid befreundet und ar-
beitet auch zusammen im Team. Reizt es Dich,
im direkten Wettkampfvergleich gegen Bernd
Weltmeister zu werden?
Nein. Aber klar, für jeden Baumkletterer wäre
es ein Highlight gegen den sechsmaligen
Weltmeister zu gewinnen und selbst Weltmeis-
ter zu werden. Doch Vizeweltmeister und Euro-
pameister, das sind ja auch zwei Titel, über die
man sich freuen kann. Natürlich will jeder, der
1,2,3,4,5,6,7,8,9 11,12,13,14,15,16,17,18,19,20,...112
Powered by FlippingBook